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Hedy Kiesler Lamarr

Leben, Labour, Leinwand

„Jedes Mädchen kann glamourös ausschauen, alles, was es machen muss, ist stillzustehen und dumm dreinzuschaun”.

Diesen Satz von Hedy Lamarr (1914–2000) stellt der österreichische Schriftsteller und Regisseur Wilhelm Pellert ihrer Lebensgeschichte in seinem Monodrama „Hedy Kiesler Lamarr” voran. Nicht jeder kennt den Namen dieser Schauspielerin, die 1933,18-jährig, in der Tschechoslowakei die Hauptrolle in dem großartigen Film „Ekstase” von Gustav Machaty spielt und wegen einer Nacktszene und des Bekenntnisses der Rolle der Eva zu einem erfüllten Sexualleben für Skandal sorgt, was das sofortige Verbot des Filmes im faschistischen Deutschland nach sich zog.

Erst 1935, nach Kürzungen und Verstümmelungen durch die Nazis, wurde der Film unter Tumulten in einigen wenigen deutschen Kinos gezeigt, versehen mit der Warnung: „Dieser Film ist jugendverderbend”. Bei der Wiener Premiere von „Ekstase” 1931, hieß die Hauptdarstellerin noch Hedwig Kiesler, kam aus einem gutbürgerlichen jüdischen Wiener Elternhaus, war wohlbehütet durch eine Konzert-Pianistin-Mutter und einen Creditanstalt-Direktor-Vater aufgewachsen, mit Privatschulen, Klavier-, Ballett- und Sprachunterricht. Als Jüdin und humanistisch gebildete junge Frau wird sie sich in Österreich, Deutschland und später Amerika zunehmend antifaschistisch orientieren und engagieren. Zunächst einmal schwänzt sie aber mit 15 die Schule, um sich in Wiener Theaterstudios und Filmateliers an die Schauspielerei heran zu tasten.

Max Reinhardt fällt sie auf wegen ihrer Schönheit, und er lässt sie paar kleine Rollen spielen. Eine kurze unglückliche Ehe mit einem jüdischen Rüstungsindustriellen sei hier nur erwähnt, weil in ihr der Weg der Erfinderin Lamarr begann. Ungenügend funktionierende Torpedos, mit denen ihr Ehemann viel Geld verdiente, stachelten ihr Interesse an zur Entwicklung des Frequenzsprungverfahrens, das heute zur Basis der gesamten Mobilkommunikation wurde, also auch unserer Handys und Laptops.

Aber die Schauspielerei lässt sie nicht los, freilich hat sie als Jüdin keine Chancen in Europa. Da trifft sie auf Louis B. Mayer, den Filmmagnaten von MGM, der ihr einen Künstlernamen anempfehlen, und als Hedy Lamarr und „schönste Frau des Jahrhunderts” im Zusammenspiel mit Spencer Tracy, Charles Boyer, Clark Gable, Judy Garland, James Stewart und ähnlichen Größen zu einer Hollywood-Karriere verhelfen wird, die für ein ausgefülltes Leben hätte reichen können.

Lamarr war eine Film-Diva, die „Casablanca” ablehnte, weil ihr Humphrey Bogart nicht genügte, aber sie wurde mehr als das. Der Krieg, den die Nazis angezettelt hatten und in den nach langem Zögern auch Amerika eintrat, lässt sie neu nachdenken über das, was sie in Ansätzen schon erfunden hatte, den Einsatz der Frequenzsprungtechnik zur störungsfreuen Funksteuerung von Torpedos. Sie tut sich zusammen mit einem, der die Nazis genau so hasst wie sie – dem Komponisten George Antheil.

Antheil galt lange zuvor an „Enfant Terrible” der modernen Musik und hatte Erfahrungen sammeln können beim funktechnischen Steuern seiner Klaviermaschinen. So entstand der „Lamarr-Antheil-Torpedo”, der vom amerikanischen Patentamt als „kriegswichtiges Patent” eingestuft wurde. Sie hatte gegen die Nazis mehr tun wollen, als den Frontsoldaten mit tiefer Stimme vorzusingen: „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt”, und als Erfinderin des Frequency Hopping war ihr das gelungen. Ihre Erfindungen wurden gebraucht im Krieg gegen die Nazis und später missbraucht im Krieg gegen Vietnam. Ein paar Erfinder-Preise erhält sie, keine finanzielle Ehrung, da ihre Patentrechte bereits 1959 abgelaufen waren. Hollywood hatte für all das kein Verständnis. Ihre Klugheit passte nicht zu ihrem Äußeren. Sie war zu schön. Und sie war unbeliebt ob ihrer Unangepasstheit, Aufmüpfigkeit, ihres intellektuellen und politischen Selbstbewußtseins.

Als Schauspielerin fast vergessen, ist sie heute als Erfinderin so anerkannt, dass ihr Geburtstag, der 9. November – 2014 übrigens ihr 100. – in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Tag der ErfinderInnen gefeiert wird.

Gina Pietsch

(Erstgedruckt, Januar 2015 in UNSER BLATT, VVN-BdA)

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