Erich Weinert
„Platz für den roten Feuerwehrmann” – zum 60. Todestag
Im Jahr seines 60. Todestages wollen wir uns heute erinnern an einen Dichter, der fast vergessen ist. In dem Land, aus dem die meisten von uns kommen, der DDR, war er hoch geehrt. Von Briefmarken und Medaillen her kannte man sein Bild. Straßen trugen seinen Namen, Schulen, Bibliotheken. Im Lesesaal der größten öffentlichen Berliner Bibliothek steht heute kein Buch von ihm im Regal. Man muss die Archive durchforsten, um ihn wieder einmal durchzublättern. Dabei war er ein bedeutender Satiriker, Lyriker und Dokumentarist.
An Heine, Glasbrenner und Wedekind geschult, war sein Werk witzige, anrührende, aufklärerische und aufrührerische Zeitgeschichte. Mit 7 Jahren, also 1897, begann er zu dichten und ließ davon nicht bis weit in seine schwere Krankheit hinein, in den Fünfzigern. Dabei hatte ihm das Dichten keiner beigebracht. Er war Absolvent der Königlichen Kunstschule Berlin, die er mit einem Staatsexamen als Zeichenlehrer verließ. Seine intellektuelle Vorbereitung auf Malen und Dichten verlief durchgängig autodidaktisch. Sein sozialdemokratisch eingestellter Vater hatte ihm, dem überdurchschnittlich begabten Jungen, das Gymnasium verweigert, weil er Standesdünkel befürchtete, lehrte ihn aber somit Haltungen, die Weinerts Leben prägten und ihm den Grundstock vermittelten für eine Dichtung – und Malerei – die auf ein breites Publikum zielte und von diesem geliebt wurde.
Und nie wurde er mehr geliebt, als wenn er sein eigener Interpret war – ein Sprechdichter also, ein hervorragender Rezitator, der die Sprache der Unteren sprach, hochdeutsch, sächsisch, berlinerisch. Trotzdem konnten selbst Kritiker bürgerlicher Zeitungen nicht vorbei an seiner Kunst. Die „Welt am Abend” findet ihn außerordentlich geistreich, formvollendet, ein Witz, der alles ausschöpft, was die Sprache ihm an Möglichkeiten bietet. Das will etwas heißen – Weinert war jetzt Mitglied der KPD, Mitarbeiter der „Roten Fahne” und Mitbegründer des Bundes Proletarisch-revolutionärer Schriftsteller.
Im Jahre 1930 hatte seine Zusammenarbeit mit Hanns Eisler und Ernst Busch begonnen, und Lieder wie „Der Rote Wedding”, „Heimlicher Aufmarsch” oder das „Lied der Internationalen Brigade” brachte allen Dreien Weltgeltung bei großen Massen progressiv denkender Menschen, freilich auch Sprechverbote in Preußen und erste Plätze auf den schwarzen Listen der Nazis. Weinerts eindeutige Solidarität mit den Unteren ist nicht nur in Gedichten zu lesen und hören. Wie viel wichtiges Wissen über Mut, Kampfgeist und Leiden der Spanienkämpfer erfahren wir aus seinem Buch „Camaradas”, wieviel Wut, Trauer und Kopfschütteln bereiten uns in „Memento Stalingrad” seine Beschreibungen der Verhaltensweisen deutscher Soldaten in dieser Eiswüste? Er trifft uns ins Herz, so und so, eben weil er dabei war, in Madrid, in Barcelona, an den Frontlinien in Spanien und der Sowjetunion, im KZ Cyprien, das ihn lungenkrank machte.
Seine Sorgen 1946 gehen weiter. Die BRD beginnt aufzurüsten. „Genauso hat es damals angefangen” schreibt er und stirbt – soll man sagen – glücklicherweise – zwei Monate vor dem 17. Juni, am 20. April 1953.
Gina Pietsch
(Erstdruck in UNSER BLATT, VVN-BdA , Januar 2013)